7. Dezember

5 Jahre Pariser Abkommen

Am 12. Dezember wird das Pariser Klimaschutzabkommen fünf Jahre alt. In der Zeit ist viel passiert, nur leider kaum etwas fürs Klima.

Deswegen gehen wir unter strengen Hygienemaßnahmen am Freitag davor auf die Straße.

Freitag, 11.12.2020
14:00 Uhr
Nikolaikirchhof

Wir sammeln Schuhe, legen mit Ihnen einen Appel auf den Nikolaikirchhof und Spenden sie anschließend an Menschen auf der Flucht. Die Klimakrise entwickelt sich auch heute schon verstärkt zu einer humanitären Krise, vor deren Auswirkungen (Hunger, Dürre, Krieg, …) Menschen fliehen müssen. Als Teilverursacher*innen der Klimakrise sehen wir uns als Europäer*innen in der Pflicht, den Flüchtenden zu helfen.

Beteiligt euch und spendet bitte selbst. Für mehr Infos folgt uns auf den bekannten Kanälen oder schreibt uns eine Mail an: leipzig@fridaysforfuture.de


Wochenende im Dannenröder Wald

Am Wochenende waren mehrere Aktivist*innen unserer Ortsgruppe im Dannenröder Wald. Sie berichten über den fast aussichtslosen Kampf gegen die Waldzerstörung und den Autobahnneubau:

Auf dem Weg zum Bus
(Foto: privat)

Freitag

Das Wochenende beginnt am Freitag, es wird gerade dunkel, da treffen sich Klimaaktivist*innen an der S-Bahn-Station „Leipzig/Halle Flughafen“, umgemeinsam mit dem Bus in den Dannenröder Wald zu fahren.
„Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass der Danni bleibt!“ heißt es im Aufruf.
Für viele von uns ist es das erste Mal im „Danni“. Vormittags noch auf Arbeit oder in der Schule, am Abend gemeinsam mit Klimaaktivist*innen von Ende Gelände im Bus.

Der Bus, der bereits Beliner Klimaaktivist*innen an Bord hat ist kaum angehalten, da umkreisen ihn schon zwei Fahrzeuge der Bundespolizei. Dieser Grad der Polizeipräsenz wird sich über das Wochenende noch erheblich steigern.

Nachdem alles Gepäck verstaut, alle Menschen eingestiegen sind, werden wir darüber aufgeklärt, was auf der fahrt so passieren kann und wird. „Wir werden auf jeden Fall von der Polizei kontrolliert werden, das war bisher jedes mal so.“ Dann gehts los, mit Maske, Kontaktliste und besonderer Belüftung im Bus, um eine Corona-Infektion bestmöglich zu verhindern. Im Bus sitzen überwiegend junge Menschen, einige von ihnen hatten bereits angekündigt ihre Personalien im Falle einer Kontrolle zu verweigern, andere sind sich noch unsicher.

Drei Stunden und zwei Zwischenstopps später stehen wir auf einem Rastplatz in Hessen, der frisch gefallene Neuschnee lädt zur Schneeballschlacht ein, da steht plötzlich ein Polizeiwagen hinter dem Rasthäußchen. Die kurze Hoffnung, doch nicht kontrolliert zu werden, nachdem die anderen beiden Reisebusse vor uns das Camp ohne Zwischenfälle erreicht hatten, verschwindet wieder. Kurz nachdem wir wieder auf der Autobahn sind, setzt sich der Polizeiwagen vor uns, macht das Blaulicht an und zieht uns an der nächsten Abfahrt von der Autobahn wieder runter, direkt zur Polizeiwache nach Alsfeld. Als der Bus in die Straße einbiegt, sehen wir das immense Polizeiaufgebot. Vor der Wache und auf dem gegenüberliegenden Parkplatz stehen mindestens 40 Polizeiwagen der Polizei Hessen, Bayern, der Bundespolizei usw. Auf uns wartet mindestens eine Hundertschaft. Verwundern tut das hier niemand, ein bisschen aufgeregt sind aber alle. Nach kurzer Diskussion mit dem Busfahrer kommen zwei Polizisten in den Bus, erzählen von einem bestimmten Paragraphen (dessen Inhalt im Verlauf der Maßnahmen kein*e Beamt*in nennen kann) und beginnen damit in willkürlicher Reihenfolge Personen aus dem Bus mitzunehmen. Da ist es ungefähr 22:00 Uhr.

Für die folgenden Zeilen ist wichtig, dass dortige Wetter zu kennen: Laut Deutschem Wetterdienst sind zwischen 0°C und -2°C gewesen.

Die Beamt*innen wollen unsere Personalien wissen und obwohl sie es zu Beginn anders beahuptet haben, werden dann die persönlichen Sachen aller Personen im Bus durchsucht. Also erst Taschen ausleere, Jacken/Schuhe ausziehen, Körper abtasten, dann Rucksäcke durchwühlen und wer seine Personalien verweigert wird zusätzlich noch fotografiert. Das alles findet draußen in einer Einfahrt der Wache statt, bei Frost. Bei Personen, die sich „kooperativ“ verhalten, dauert die Maßnahme nur wenige Minuten, danach werden alle zu einer leeren Garage im Hof der Wache geführt, deren Garagentore von 4 Polizist*innen bewacht werden.

Dort werden die bereits kontrollierten Personen für die nächsten zweieinhalb Stunden in der Kälte festgehalten, obwohl die eigentliche Kontrolle vorbei ist. Nach fast einstündiger Bitte einer Person, die Jacke aus dem Bus holen zu dürfen, bringt ein Polizist der Person einen Tee. Für die anderen werden 2 weiße Kunststoffplanen als „Decken“ gebracht, auch das erst nach fast 1,5 Stunden. Die Beamt*innen schleifen die kontrollierten Personen teilweise über den schlammigen Boden, eine Peron berichtet von einer Polizistin geschubst worden zu sein, woraufhin die Polizei auch alle anderen Personen abfilmt. Toilettengänge waren nur erschwert möglich, da die Beamt*innen angaben, es gäbe nur eine Toilette im Gebäude.  Nach ca. 2,5 Stunden in den Garagen werden wir wieder frei gelassen und dürfen wieder zurück zum Bus gehen. Alle Personen, die ihre Personalien verweigert haben, bekamen unter anderem einen Platzverweis für Teile des Dannenröder Forsts.

Zurück am Bus wurde klar, dass die Polizei auch alles andere Gepäck durchsucht hatte, ohne Beisein der Eigentümer*innen. Laut Aussage der solidarischen Menschen, die vor der Polizeiwache eine spontane Solikundgebung angezeigt hatten waren dabei u.a. auch Hunde im Einsatz. Nachdem alles wieder im Bus verladen war, es ist mittlerweile nach 1:00 Uhr in der Nacht gewesen, könnten wir endlich die restlichen Kilometer zum Camp am Dannenröder Wald fahren. Weils so schön war hat uns auf den ersten Meter auch dann noch ein Polizeifahrzeug verfolgt.

Trotz des Nebels hat man auf der Fahrt die hell erleuchtete Festung der Polizei in Kilometern Entfernung gesehen. Im Camp angekommen (ca. 2:00 Uhr) haben sich alle schnellstmöglich einen Schlafplatz gesucht, die Aktion von Ende Gelände sollte schließlich ca. 5:00 bereits starten.

Sonnenuntergang über dem Dannenröder Wald
(Foto: privat)

Samstag

Der Samstag startet ereignisreich. Bereits um 4 Uhr morgens kontrolliert die Polizei weitere Fahrzeuge rund um das Camp. Als die beiden Finger von Ende Gelände in „Oben“ angekommen sind (so heißt der letzte Rest der Waldbesetzung auf der geplanten Trasse der A49) und einige Schneebälle (!) in Richtung Polizei geflogen sind, antwortet diese mit dem Einsatz des Wasserwerfers. Bei Minusgraden.

Die Polizei rechtfertigt ihre fortwährenden teils sehr gewaltvollen Vorstöße mit der Räumung der Fluchtwege, die in dem Bereich des Walds überhaupt nicht existieren. Dieser Vorwand wird seit Wochen genutzt um immer wieder die errichteten Barrikaden in allen Teilen des Walds zu Räumen, ganz gleich ob es sich tatsächlich um einen Fluchtweg handelt. Im Lauf des Samstags zieht sich die Polizei ein wenig mehr zurück, auch weil sich mitlerweile mehrere hundert Aktivist*innen vor die Bäume in „Oben“ gestellt haben. Innerhalb des Barrios werden Schaukeln (zur Besetzung kleinerer Bäume) und Tripods (zur Besetzung von Durchfahrten und Bodenfläche) aufgebaut. Engagierte Anwohner*innen bringen fast im Minutetakt Essen und Kleidung im Camp vorbei, weitere bringen Seile, Verpflegung und Essen weiter in den Wald nach „Oben“. Den Tag über beruhigt sich die Situation aufgrund der vielen Personen auf dem Waldboden ein wenig. In den Nachmittagsstunden räumt die Polizei erneut die Fluchtwege, am Rand gibt es einige Rangeleien mit Aktivist*innen. Dann zieht sich die Polizei wieder in ihre mit NATO-Stacheldraht und meterhohen Zäunen gesicherte Festung zurück. Den erneuten Barrikadenbau auf dem Weg zwischen umzäunter Polizei-Bastion und „Oben“ beantwortet die Polizei erneut mit Wasserwerfereinsatz. Mehrere Personen wurden den Tag über fest genommen.

Im Camp gibt es auf dem Sportplatz ein Konzert auf der Bühne, die Aktivist*innen, die nicht in „Oben“ im Baumhaus schlafen gehen überwiegend zeitig ins Bett. Auch am nächsten Tag geht der Kampf um die letzten Meter Wald im „Danni“ weiter.

Die Polizei versucht in das Barrio „Oben“ vorzudringen
(Foto: privat)

Sonntag

Der Sonntag beginnt ähnlich wie schon die vergangenen Tage im Wald. Früh am Morgen versucht die Polizei „Oben“ zu umstellen, was jedoch an der Anzahl der Aktivist*innen im Barrio scheitert, die schon 5:00 Uhr in den Wald gegangen waren. Die Polizei versuchte mithilfe des SEK einige Tripods gewalltvoll zu räumen, nahm dabei einige Personen fest, zog sich aber nach durchwachsenem Erfolg langsam ein Stück zurück.

Für uns beginnt die Rückreise, zusammen mit verschiedenen Menschen wurden wir im Shuttlebus nach Stadtallendorf zum Bahnhof gebracht, von wo wir mit dem Zug wieder zurück nach Leipzig fuhren. Die Rückreise verlief glücklicherweise ohne Polizeikontrollen oder andere Komplikationen.

Am Bahnhof Stadtallendorf trafen wir kurz vor unserer Abfahrt noch auf einen Seelsorger der Polizei, der erzählte, er habe sich in den letzten Tagen auch ein Bild im „Danni“ gemacht und er könne das Anliegen der Besetzer*innen verstehen. Als sein Zug kam ließ er uns eine Kiste mit Schoko-Nikoläusen da. Wenigstens ein netter Ausklang für ein Wochenende, was sehr durch polizeiliche Repressionen und Gewalt geprägt war.

Wir haben höchste Achtung vor den Menschen, die seit Monaten die Bäume besetzt halten und Widerstand gegen das wahnwitzige Autobahnprojekt leisten. Sie und die Journalist*innen vor Ort erfahren fast täglich Polizeigewalt und Schikane. Sie sind auch unter der Woche da, wenn die großen Aktionen vorbei sind und im Wald wieder mehr Polizist*innen als Aktivist*innen sind. Sie sind da, wenn keine*r in den „Danni“ schaut, weil gerade Luisa Neubauer oder Carola Rakete da sind.

„DANKE, DASS IHR ‚OBEN‘ SEID!“

~ anonym

(Foto: privat)